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Erzeugnisschutz
durch ein europäisches Geschmacksmuster
Ihre Produkte verkaufen sich gut:
§ Erstens stecken darin Ihre Erfindungen, die Ihren Produkten einen technischen Vorsprung gegenüber den Produkten Ihrer Mitbewerber verschaffen.
§ Zweitens bevorzugen Ihre Abnehmer die Erscheinungsformen Ihrer Produkte gegenüber den Erscheinungsformen der Produkte Ihrer Mitbewerber.
1. Erfindungen sind bekanntlich durch technische Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster) schützbar. Auf europäischer Ebene kann man beim Europäischen Patentamt in München ein europäisches Patent beantragen, um für die Erfindung Schutz in vom Anmelder zu benennenden Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) zu erlangen. Voraussetzung ist die Einreichung von Anmeldungsunterlagen beim Europäischen Patentamt, auf deren Grundlage die Patentfähigkeit der Erfindung geprüft wird. Falls die Patentfähigkeit der Erfindung erkannt wird, erteilt das Europäische Patentamt das europäische Patent auf die Erfindung. Damit das europäische Patent in den benannten Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens wirksam wird, muss es in der jeweiligen Amtssprache jedes Mitgliedsstaates vorliegen. Die Ausarbeitung der Anmeldungsunterlagen, das Prüfungsverfahren und die erforderlichen Übersetzungen sind kostenträchtig.
2. Seit dem 1. Januar 2003 gibt es auf europäischer Ebene die Möglichkeit, beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) in Alicante, Spanien, durch Eintragung ein sogenanntes Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu erlangen.
Begrifflich ist dabei zwischen dem "Gemeinschaftsgeschmacksmuster" und dem "Geschmacksmuster" zu unterscheiden: bei dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster handelt es sich um ein Schutzrecht; bei dem Geschmacksmuster handelt es sich um die durch das Schutzrecht geschützte Erscheinungsform eines Erzeugnisses.
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster entfaltet eine Schutzwirkung in der Europäischen Union. Danach darf der Inhaber Dritten die Benutzung des geschützten Erzeugnisses verbieten.
3. Mit dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist die Möglichkeit eines kostengünstigen Schutzes für Erzeugnisse in der Europäischen Union geschaffen. Im Unterschied zum europäischen Patent kommen die Anmeldungsunterlagen beim Gemeinschaftsgeschmacksmuster ohne einen Beschreibungstext aus. Der Eintragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters geht lediglich ein formales, jedoch kein langwieriges substantielles Prüfungsverfahren voraus. Zur Wirksamkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters muss der Anmelder keine Übersetzungen in die Sprachen der Europäischen Union vornehmen.
4. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster hat eine besonders lange vollwirksame Schutzdauer, innerhalb derer gegen Verletzer etwa Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Im Vergleich mit dem Patent, dessen Schutzwirkung erst mit der Erteilung voll einsetzt und dessen Schutzdauer auf zwanzig Jahre ab dem Tag der Anmeldung begrenzt ist, tritt die Schutzwirkung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters sofort mit seiner Eintragung ein. Die Schutzdauer lässt sich auf maximal 25 Jahre ab dem Anmeldetag verlängern.
5. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster schützt die Erscheinungsform eines Erzeugnisses und unterscheidet sich somit vom europäischen Patent, das technische Erfindungen schützt. Die Erscheinungsform des Erzeugnisses ergibt sich aus Merkmalen wie Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder Werkstoffe; die Erfindung ergibt sich dagegen aus technischen Merkmalen des erfindungsgemäßen Erzeugnisses. Weil das Gemeinschaftsgeschmacksmuster kein technisches Schutzrecht ist, besteht das Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind. Insofern kann das Gemeinschaftsgeschmacksmuster das europäische Patent ergänzen.
6. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster eignet sich besonders zum Schutz eines Erzeugnisses, das einem Schutz durch ein europäisches Patent nicht zugänglich ist, etwa weil es nicht in hinreichendem Maße auf erfinderischer Tätigkeit beruht, dessen Schutz durch ein europäisches Patent für zu kostspielig gehalten wird oder dessen Schutz durch ein europäisches Patent besonders lange aufrecht erhalten werden soll.
Man beachte beim Vergleich des
Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit dem europäischen Patent, dass nicht
sämtliche Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens der
Europäischen Union angehören. Beispielsweise ist die Schweiz Vertragsstaat des
Europäischen Patentübereinkommens, so dass ein europäisches Patent in der
Schweiz Wirksamkeit erlangen kann. Die Schweiz ist jedoch nicht Mitglied der
Europäischen Union, so dass das Gemeinschaftsgeschmacksmuster in der Schweiz
keine Wirksamkeit erlangt.
7. Übrigens kann ein Erzeugnis sogar dann durch Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt sein, wenn das Geschmacksmuster gar nicht beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eingetragen ist. Voraussetzung ist lediglich, dass das Erzeugnis in bestimmter Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist.
Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann sich zur Ergänzung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs gegen einen Nachahmer Ihres Erzeugnisses eignen. Der Nachahmer verletzt das Gemeinschaftsgeschmacksmuster nämlich schon, wenn das Verletzungserzeugnis beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt als das geschützte Geschmacksmuster. Somit kommt es für den Schutz - anders als im Wettbewerbsrecht - nicht auf eine sklavische Nachahmung an.
Wir raten grundsätzlich dazu, das zu schützende Erzeugnis als Gemeinschaftsgeschmacksmuster eintragen zu lassen. Denn andernfalls kann eine unzureichende oder unbestimmte Veröffentlichung des Geschmacksmusters die Wirkung des Schutzrechtes stark beeinträchtigen.
Sichern Sie sich also durch ein beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eingetragenes Geschmacksmuster europaweit den Vorsprung Ihrer Erzeugnisse vor jenen Ihrer Mitbewerber!
Dr.Fechner, 4. Januar 2004
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